Ein Team oder auch ein Mitarbeiter kann erst richtig funktionieren, resp. Erfolg haben, wenn klar ist, was gefordert wird. Dies wird üblicherweise in einem Arbeitsbeschrieb fest gelegt oder in AKVs fest gehalten. AKV steht für Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten. Diese drei Elemente sollten sich im Gleichgewicht halten. Meine Aufgaben, die ich zu erledigen habe, liegen im Feld dessen, wo ich Verantwortlich bin. Weiter bin ich in meiner Arbeit mit genügend Kompetenzen ausgestattet, damit ich die Aufgaben auch erledigen kann. So macht es wenig Sinn, wenn ich für den ganzen Wagenpark verantwortlich bin, eine meiner Aufgaben es ist, alle Autos immer vollzutanken, ich aber keinen Schlüssel für die Tanksäule habe. Mir bleibt dann eigentlich nur die Möglichkeit, die Aufgabe nicht zu erledigen oder aber dann mir illegitimer Weise die Kompetenz zu verschaffen (so ein Schlüssel ist ja schnell geklaut…)
In der Führung passiert viel Missbrauch, wenn Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nicht in Einklang liegen. Oft fühlen sich Leiter für Dinge verantwortlich, für die sie unmöglich die Verantwortung übernehmen können. Zum Beispiel für das Wohl jedes einzelnen. Oder für die emotionale Befindlichkeit von allen im Team. In den Kirchen kommt es immer wieder vor, dass sich der Pastor persönlich für das Leben der Menschen verantwortlich fühlt. Dieses Bild liegt leider schon im Namen „Pastor“ verborgen: Er ist der Hirte, der für alle seine Schafe gut zu sorgen hat. Mit dieser Verantwortung übernimmt er automatisch auch gewisse Aufgaben: Er soll dafür sorgen, dass jeder so lebt, wie Gott das möchte. Damit er nun aber diese Aufgabe erfüllen kann, muss er die nötigen Kompetenzen dazu haben. Ob jemand so lebt, wie Gott das möchte, hängt aber von sehr vielen Kompotenten ab. Zum einen von einem Verständnis, was denn überhaupt richtig und falsch ist. Dann auch von der Fähigkeit, sich immer wieder richtig zu entscheiden. Schliesslich auch von der Energie, das ganze auch so durchzuziehen. Ein Pastor kann seine Aufgabe nun nur dann erfüllen, wenn er sich mehr Kompetenzen verschafft – und dies ist offensichtlich nur mit illegitimen Methonden möglich. Er kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er direkt in die Entscheidungsautonomie „seiner Schäfchen“ eingreift. Zuerst muss er dafür schauen, dass jeder genau weiss, was richtg und falsch ist. Er predigt also was das Zeug hält, sehr viel über Sünde und Gericht und macht klar, dass seine Meinung die einzig richtig biblische Sicht ist. Prozesse, selber entdecken, unterschiedliche Meinungen sind da hinderlich und sollten möglichst vermieden werden. Damit jeder sich dann auch so entscheidet, wie der Pastor es für richtig hält, ist eine ganze Portion Manipulation nötig. Eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche wirkt oft am besten. Der Pastor muss dafür schauen, dass jeder die Vorteile sieht, wenn man sich für die einzig richtige Meinung entscheidet, aber auch, was denn die Konsequenzen sind, wenn man andere Wege geht. Angst einflössen, Strafen androhen, schwarze Schafe ausgrenzen, schlechtes Gewissen einimpfen sind so einige der Möglichkeiten, sich Kompetenzen zu verschaffen. Auf jeden Fall aber muss man sich Kontrolle verschaffen können – denn schliesslich ist der Pastor ja verantwortlich.
Leider gibt es einige Kirchen, bei denen bewusst oder unbewusst Kontrolle und Manipulation alltäglich geworden sind. Gott sei Dank sind viele Christen nicht mehr bereit, diesen Mist mitzuspielen und suchen sich ihre eigene Wege. Dabei fängt die ganze Fehlentwicklung mit einem einfachen Denkfehler an und ist damit auch ziemlich einfach aufzulösen. Der Pastor ist nicht für das Wohlergehen anderer Personen zuständig und schon gar nicht für die Entscheidungen von Menschen. Sehr wohl aber darf er verfügbar sein: wenn Menschen Nöte und Fragen haben, wenn sie seelsorgerliche Hilfe oder Coaching in Anspruch nehmen möchten, wenn Gott ihn zum Segen für andere gebrauchen möchte. Für andere Dinge sollte er sich aber sehr wohl verantwortlich fühlen, z.B. dass ein Umfeld entsteht, dass jeder die Möglichkeit hat, sich zu entwickeln und das zu tun, was Gott ihm aufträgt.
14. Juni 2011 um 11:09 Uhr
Du bringst es auf den Punkt.
Es wäre schön, wenn das mehr Pastoren aber auch Gottesdienstbesucher oder Kirchenmitglieder begreifen würden.
Eigentlich wissen es alle – aber immer wieder fallen wir darauf hinein, auch altgediente erfahrene Prediger.
Danke für die klaren Worte