Wie Gemeinde den Weg zu postmodernen Menschen finden kann


Unsere Kirchen, die wohl häufig mehr vom Reduit-Gedanken als von Innovation getrieben wird, fangen sich langsam mit den Gedanken und dem Lebensgefühl der Postmoderne abzufinden. Die Herausforderung ist dabei, einen Mittelweg zwischen den beiden Polen Galileo und Lemminge zu finden. Lemminge stürzen sich von der Leitkultur blind verführt die Klippe herunter, während bei Galileo alles bestehende sowieso als Gotteslästerlich abgeurtielt wird. Michael Herbst wagt in seinem kurzen Aufsatz „wachsende Kirche“ einen ungewohnt nüchternen Blick auf den Zustand der evangelischen Landeskirche in Württemberg. Sein Fazit ist dabei sehr einfach: Die Zeit der Volkskirche ist vorbei – die Not der Zeit erfordert ein Umdenken zur Missionskirche. Dabei weist er auf sehr praktische Ansätze hin, wie dieses Umdenken gelingen kann. Am besten hat mir dabei die Überlegungen zu inkarnatorischer Homiletik gefallen.Dabei meint er eine Weise zu predigen, die die Kultur und das Lebensgefühl der Postmoderne ernst nimmt:

  • ist gehorsam im Hören, aber sie lebt nicht im „Besitzen“ und „Haben“, sondern ist gleichsam in Bewegung. D.h. man nimmt die Bibel als Wort Gottes ernst, verfällt aber nicht in den Glauben, man habe die Wahrheit gepachtet.
  • erzählt mehr und behauptet weniger und schafft so Räume probehalber Identifikation, d.h. Möglichkeiten, wo man ungezwungen dabei sein und erleben kann, was Glauben im Alltag bedeutet.
  • ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines Gesprächs – Menschen wollen schliesslich keine fertigen Antworten, sondern ein Beziehung, die ihnen Einblick gewährt.
  • sucht die Vielfalt der Ausdrucksformen
  • verzichtet auf Mittel der Macht – die Zeit des manipulativen Predigens oder des künstlich Stimmung erzeugens ist endlich vorbei
  • eröffnet Räume der Wahl

Tja, es liegt noch einiges an Arbeit vor uns. Wer packt mit an?

5 Antworten auf „Wie Gemeinde den Weg zu postmodernen Menschen finden kann

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  1. Hi Boris

    Es ist doch erstaunlich, dass ein grosser Teil der aufgeführten Punkte auch meine sind. Doch weil ich sie äussere wurde des öfteren in Frage gestellt ob ich überhaupt glaube/Christ sei und dass ich gar nicht das Recht habe als 0815 Gemeindemitglied so etwas zu äussern.

    >>aber nicht in den Glauben, man habe die Wahrheit gepachtet
    In den ersten Jahren meines Weges mit Gott war ich froh, dass es schwarz und weiss gegeben hat. Für mich war klar, dass Gott und der vom Prediger/JG-Leiter gelebte Glaube wahr und alles andere falsch war. Aber ist es nicht die Einstellung die Menschen abschreckt, die sich nicht als gläubig bezeichnen würden? Sind es nicht genau Äusserungen mit einem schwarz-weissen Inhalt welche die Christen als überheblich erscheinen lassen? Gott und der Glaube sind für mich Heute viel mehr als wahr und falsch…

    >>erzählt mehr und behauptet weniger und schafft so Räume probehalber Identifikation
    Ich wünsche mir, dass über die Bibel mehr diskutiert wird, dass andere Meinungen als die des Predigers als gleichwertig behandelt werden. Aber das ist nach meinen Erfahrungen mehr die Ausnahme als die Regel. Das Wort des Priesters wird nicht in Frage gestellt, denn er ist ja ein Mann Gottes und sein Sprachrohr auf Erden. Der Gläubige muss durch ihn an der Hand geführt werden

    >>ist nicht das Ende, sondern der Anfang eines Gesprächs
    Ich spinne den Gedanken mal weiter… Das würde für mich bedeuten, dass die Predigt bzw. der Gottesdienst ganz andere Formen erhält. Dann wäre das Wort und die Auslegung des Gemeindeleiters nur noch ein ganz kleiner Teil. Dann würden die anwesenden Menschen offen über den Bibeltext diskutieren und ihre Erfahrungen, Er- und Entmutigungen aber auch ihre Zweifel und Ablehnung sprechen… Es könnte aber auch sein, dass solche Gespräche überhaupt nicht entstehen, weil wir es uns (noch) nicht gewohnt sind.

    >>sucht die Vielfalt der Ausdrucksformen
    Dh. wir treffen uns in einer Bar sprechen über Gott und die Welt – das ist unser Gottesdienst. Dh. wir reinigen nach dem Saufgelage der Dorfjugend die Wiese – das ist unser Gottesdienst.
    Dh. ein Gottesdienst verbringen wir alle von Anfang bis Ende schweigend
    Dh. wir laden Nicolas Blancho zu einem Gottesdienst ein
    … solche Gedanken gefallen mir

    >>die Zeit des manipulativen Predigens oder des künstlich Stimmung erzeugens ist vorbei
    Das Volk will aber manipuliert werden. Wir sehnen uns nach Erlebnissen die unser Herz berühren. Momente wo wir den Verstand ausschalten und uns einfach fallen lassen können. Viele Evangelisten arbeiten mit den perfektionierten Methoden einer Verkaufsveranstaltung. Die Grenzen sind gerade in der Anbetung mehr als fliessend. Wann hört die Hinführung in die Gegenwart Gottes auf und wann beginnt die Manipulation. Wenn der Chorus 2 oder 4x wiederholt wird? Dieser Punkt wird wohl immer ein Spagat bleiben.

    >>eröffnet Räume der Wahl
    Habe ich denn eine Wahl? Ist die Bibel nicht klar und eindeutig? Darf sie überhaupt in Frage gestellt werden? Es gibt doch nur einen dünnen, fadenbreiten Weg, wer nur 1mm davon abweicht wird nicht errettet werden. Du weisst nicht wie sehr ich mir wünsche eine Wahl zu haben…

    Herzlich
    Markus G.
    (Rock Church Vineyard Thun)

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  2. Das was Markus geschrieben habe kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Auch das alles, und so hat er es auch geschrieben, ist ein schmaler Grad. Zwischen der geistlichen Leitung durch den Leiter der Gemeinde und dem das jeder das Zeug tun kann. Zwischen dem eine Kultur des Glaubens zu schaffen und dem Schwäche Raum zu geben. Für mich wird das wohl lange ein Ringen sein. Am besten schaffe ich das in einem persönlichen Bewegen der Dinge mit Gott, meiner Frau und anderen Menschen zu denen ich großes Vertrauen habe und die in mein Leben sprechen können. Mit einem tiefen Wissen darum zu was mich Gott berufen hat, um ein Wissen darum von Gott geliebt zu sein, einem Wissen um meine Autorität und gleichzeitig einer maximalen Korrekturbereitschaft. Ich hasse Manipulation, und doch kann ich nicht hundert Prozent dafür garantieren, dass ich es nicht doch manchmal (unbewusst tue). Gerade an der Stelle brauche ich Menschen die mich darauf aufmerksam machen, wenn es doch mal geschehen ist. Ich kann und will als Leiter aber nicht mit einer stetigen Angst leben, dass es mir ja passieren könnte, doch zu manipulieren. Diese Angst würde mir die Freiheit nehmen zu leiten. Und es würde mir die Freiheit nehmen Menschen zu beeinflussen. Denn Menschen beeinflussen ist eine Aufgabe als Leiter. Mein liebster Trainer und Autor in Sachen Führung Boris Grundl (nein, noch nicht Boris Eichenberger :-))hat es klasse definiert. Er beschreibt den Unterschied zwischen Manipulation und Beeinflussung folgendermaßen definiert:

    Manipulation:
    Menschenbild: rücksichtslos
    eigene Bedürfnisse befriedigen
    Fremdsteuerung
    Information zurückhalten
    basiert auf Täuschung
    Endziel: Abhängigkeit

    Beeinflussung
    Menschenbild: Potenziale
    fördern und im Team den Unternehmenszweck erfüllen
    Selbstdisziplin
    vorher informieren und Einverständnis einholen
    basiert auf Ehrlichkeit
    Endziel: Selbststeuerung

    Mir hilft das sehr, vielleicht hilft es Euch auch.

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  3. hey, das sind ja ganz coole Gedanken. Ich finde die Unterscheidung und die Merkmale zwischen manipulieren oder beeinflussen sehr wichtig. Schlussendlich geht es doch um die Frage: geht es um mich und meine Bedürfnisse, oder den anderen und seine Eigenständigkeit mit Gott.

    Eine andere interessante Frage ist, wie wir im Gottesdienst ein Gespräch ermöglichen könnten. Gerade auch der Hinweis, dass wir uns das gar nicht gewohnt sind, finde ich bedenkenswert. Darin aber die Frage, wie wir es uns angewöhnen könnnen, resp. welche Formen und Ideen helfen könnten, die frontale Informationsvermittlung der Predigt durch alternative Modelle des Austausches, des Hinterfragens, des gegenseitig Ermutigends zu ergänzen oder sogar zu ersetzen?

    In Aarau haben wir mal damit begonnen, die hinderlichen Stuhlreihen durch Sitzen an Tischen zu ersetzen. Das hilft schon ganz gut, aber ist erst der Anfang. Wie könnten wir da weiter gehen?

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  4. Was die Formen anbelangen müssen wir immer in Bewegung bleiben. Tische gehen dann bei einer großen Gemeinde einfach nicht mehr, dann muss man sich etwas anderes überlegen, wie die Menschen aktiv in den Gottesdienst einbezogen werden. Es bleibt spannend.

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